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Strategie 2030: Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführerin Viva Luzern im Interview

Viva Luzern hat im vergangenen Jahr die Unternehmensstrategie überarbeitet. Weshalb war dieser Schritt nötig?

Rolf Krummenacher: Verschiedene Gründe waren dafür ausschlaggebend, die beiden wichtigsten sind Veränderungen im Umfeld und in der Gesellschaft. Jeder und jede von uns wünscht sich, im Alter so lange wie möglich zu Hause leben zu können. Wenn der Umzug in ein Betagtenzentrum nötig wird, sollte es dem angestammten Zuhause möglichst ähnlich sein. Der Umzug in ein Betagtenzentrum wird nicht mehr wie früher von langer Hand geplant, sondern erfolgt häufig plötzlich. Beispielsweise nach einem Spitalaufenthalt aufgrund eines Sturzes. Wir werden immer älter. Damit verbunden häufen sich bestimmte Krankheitsbilder. Der Aufenthalt im Betagtenzentrum wird aufgrund des späten Umzugs kürzer, die Betreuung und Pflege dieser Personen aber komplexer. Das macht eine spezialisierte Pflege notwendig, beispielsweise in den Bereichen Demenz und Gerontopsychiatrie. Zudem bewegen wir uns nicht alleine am Markt. Um uns herum gibt es Mitbewerber, die auch einen guten Job machen. Die Knappheit von qualifiziertem Fachpersonal ist für alle Unternehmen in der Gesundheitsbranche Realität.

Andrea Wanner: 2015 verselbstständigten sich die städtischen Heime und Alterssiedlungen als eigennützige Aktiengesellschaft namens Viva Luzern. Nach sechs Jahren und mit meinem Start als Geschäftsführerin war eine Strategieüberarbeitung angezeigt. Der Verwaltungsrat sah das ebenso. Mit der überarbeiteten Strategie reagieren wir auf die sich verändernden Bedürfnisse und bleiben als Anbieterin sowie als Arbeitgeberin attraktiv und zukunftsfähig.

Was sind die wichtigsten Punkte der überarbeiteten Strategie?
Rolf Krummenacher: Wir sind als Unternehmen nach wie vor fest in der Langzeitpflege verwurzelt und werden das auch bleiben. Was sich verändert, ist nicht das Was, sondern das Wie. Beispielsweise in Bezug die Infrastruktur. Die Menschen wünschen sich mehr Wohnlichkeit. Wir haben Gebäude an tollen Lagen in der Stadt Luzern. Wie beispielsweise Viva Luzern Dreilinden mit einer fantastischen Sicht auf den Vierwaldstättersee oder Viva Luzern Eichhof mit einem wunderbaren Park zum Spazieren und Verweilen. Die Grundsubstanz der Bauten ist in Ordnung, aber die Häuser haben teilweise noch Spitalcharakter. Wir müssen es schaffen, ein Gefühl von zu Hause zu vermitteln. Viva Luzern Rosenberg ist nach dem Umbau im Jahr 2021 ein Paradebeispiel. Die eingangs beschriebenen Trends in den Bereichen Alterswohnungen sowie Demenz und Gerontopsychiatrie müssen wir antizipieren.

Papier ist ja bekanntlich geduldig – was bedeutet die neue Strategie konkret für das Angebot und die Projekte von Viva Luzern? 
Rolf Krummenacher: Damit wir die Strategie erfolgreich umsetzen können, benötigen wir personelle Ressourcen, eine gute Infrastruktur und finanzielle Mittel. Den verschiedenen Herausforderungen begegnen wir nicht alleine, sondern spannen mit unseren Partnern wie der Spitex Stadt Luzern, dem Luzerner Kantonsspital und weiteren zusammen. Damit folgen wir der Stossrichtung des Projekts der Stadt Luzern zur Verbesserung der integrierten Versorgung. Im Rahmen dessen wird bis 2023 die Zusammenführung von Viva Luzern, Spitex Stadt Luzern und Vicino Luzern geprüft.

Andrea Wanner: Wir haben im letzten Jahr analysiert, welcher Standort von Viva Luzern sich für welches Angebot eignet. Nun geht es darum, die entsprechenden Konzepte zu erarbeiten. Wir haben an allen Standorten von Viva Luzern geschützte Wohnbereiche für Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz und werden diese auch beibehalten. Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung prüfen wir, ob sich Viva Luzern Wesemlin mit einem Haus für die Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz und deren Angehörige spezialisiert. Für gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen existieren im Kanton Luzern zu wenig Plätze. Betroffene Menschen kommen bereits heute zu uns. Wir haben aktuell keine entsprechende Infrastruktur und keine speziell ausgebildeten Mitarbeitenden für diese Personengruppe. Deshalb prüfen wir im kommenden Jahr eine Spezialisierung im Bereich Gerontopsychiatrie. Das Angebot an Alterswohnungen bauen wir aus. Aktuell machen wir das Mietmanagement, und die Dienstleistungen erbringen verschiedene Anbieter. Die Wohnungen sind im Besitz der Stadt Luzern. Aus Sicht der Kundschaft ist das keine optimale Lösung, da nicht alles aus einer Hand erbracht wird. Künftig stellen wir bei Viva Luzern selbst attraktive Wohnungen bereit – vor allem 2,5-Zimmer-Wohnungen, mit einem ansprechenden und altersgerechten Ausbaustandard inklusive Notruflösung. Je nach Bedarf können Dienstleistungen wie Reinigung direkt von Viva Luzern bezogen werden. In den nächsten Jahren sind zwei derartige Standorte vorgesehen. Haus Bernarda angrenzend an das Areal von Viva Luzern Dreilinden sowie Haus Diamant auf dem Areal Viva Luzern Eichhof. Weitere Objekte sind in Abklärung. Dabei handelt es sich um ein viel nachgefragtes Zwischenangebot von Daheim und stationärer Lösung.

Von welchem Zeithorizont sprechen wir hier?
Andrea Wanner: Die Veränderungen dauern mehrere Jahre und müssen für das Unternehmen verkraftbar bleiben. In der ersten Etappe in diesem Jahr starten wir mit der Konzeptarbeit in den Bereichen Demenz und Gerontopsychiatrie. Im Viva Luzern Eichhof verbessern wir bereits in diesem Jahr die Wohnlichkeit, indem wir alle Zweibettzimmer in Einzelzimmer mit Nasszelle umwandeln.

Was dürfen sich die Stadtluzernerinnen und Stadtluzerner und damit die Kunden von morgen von dieser Veränderung versprechen?
Andrea Wanner: Viva Luzern bleibt die Expertin und führende Anbieterin für das Wohnen, die Betreuung und die Pflege im Alter. Sei es nach dem Spital in Form einer Übergangspflege, stationär in der spezialisierten Pflege wie neu der Gerontopsychiatrie oder der bewährten Palliative Care oder beim Umzug in eine altersgerechte Wohnung.

Die Strategie hat einige Änderungen im Operativen zur Folge. Welche Konsequenzen haben diese für die Mitarbeitenden?
Andrea Wanner: Wir sind auch künftig auf qualifiziertes und motiviertes Fachpersonal angewiesen. Ich habe die Unternehmensstrategie den Mitarbeitenden an allen Standorten vorgestellt. Ihnen ist bewusst, dass wir uns für die Zukunft rüsten müssen. Die Freude und die Lust auf Veränderung sind spürbar.

Die gesamte Gesundheitsbranche sieht sich seit Jahren mit einem Mangel an Fachpersonal konfrontiert. Findet Viva Luzern künftig überhaupt genug qualifiziertes Personal?
Andrea Wanner: Die Rekrutierung von qualifiziertem Fachpflegepersonal ist schweizweit schwierig. Das spüren auch wir. Dank unserer Grösse können wir unseren Mitarbeitenden bereits heute spannende Entwicklungsmöglichkeiten – fachlich oder in der Führung – bieten. Unsere Strategie macht uns auf dem Arbeitsmarkt interessant. Wir gewinnen unser Personal aber nicht nur auf dem freien Arbeitsmarkt, sondern bilden auch intern aus und weiter. Wir leisten hier einen grossen Beitrag.

Herr Krummenacher, Sie haben im Juni 2021 das Amt als Verwaltungsratspräsident von Viva Luzern übernommen. Zuvor waren Sie sieben Jahre als Mitglied im Verwaltungsrat von Viva Luzern. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung von Viva Luzern?
Rolf Krummenacher: Ich begleite die Geschichte der Heime und Alterssiedlungen der Stadt Luzern schon lange. Als damaliger Präsident der Sozialkommission habe ich mich früh dafür eingesetzt, dass die Heime und Alterssiedlungen mehr Handlungsfreiheit erhalten. Der Schritt in ein selbstständiges Unternehmen im Jahr 2015 hat sich bewährt. Wir müssen als Unternehmen noch schneller und flexibler werden und auch unternehmerischer denken. Wir haben den Anspruch, die führende Anbieterin in der Langzeitpflege zu bleiben. Die Voraussetzungen sind gut, deshalb schaue ich optimistisch in die Zukunft.

Viva Luzern ist das Zuhause für die ältere Bevölkerung von heute und morgen. Was sind Ihre persönlichen Wünsche für einen erfüllenden vierten Lebensabschnitt?
Rolf Krummenacher: Ich möchte so lange aktiv und selbstbestimmt leben, solange es mein Körper und mein Geist zulassen. Eine vertraute Umgebung ist mir für einen erfüllenden vierten Lebensabschnitt ebenfalls wichtig.

Andrea Wanner: So lange wie möglich in den eigenen vier Wänden verbleiben, das wünsche ich mir. Und bis zum Lebensabend meine lieb gewonnenen Gewohnheiten beibehalten können – wie den Zopf mit Honig am Sonntagmorgen.

Rolf Krummenacher.
Rolf Krummenacher ist seit 2021 Verwaltungsratspräsident von Viva Luzern und war zuvor sieben Jahre als Mitglied im Verwaltungsrat tätig. Der 66-jährige Stadtluzerner verfügt über jahrzehntelange Erfahrung im Management und in der politischen Landschaft der Stadt Luzern.

Andrea Wanner.
Andrea Wanner ist seit 2020 Geschäftsführerin von Viva Luzern. Zuvor war sie für die schweizweite Pflegeheimgruppe Senevita als Regionalleiterin Ost für 14 Betriebe in 6 Kantonen verantwortlich. Andrea Wanner ist 49-jährig und im zugerischen Hagendorn zu Hause.

Strategie 2030 in Kürze.
Viva Luzern steht für das Zuhause im Alter. Damit dies auch künftig so bleibt, hat der Verwaltungsrat gemeinsam mit der Geschäftsleitung die Unternehmensstrategie überarbeitet. Die Bevölkerung wünscht sich zunehmend, auch im hohen Alter möglichst lange in den heimischen vier Wänden zu leben oder in eine ähnliche Infrastruktur umzuziehen. Damit wird der Bedarf nach Plätzen in der klassischen Langzeitpflege in den nächsten Jahren weiter sinken, wobei gleichzeitig die Nachfrage nach ambulanten Dienstleistungen und Alterswohnungen steigt. Deshalb wird Viva Luzern die Kompetenz in der Demenz sowie der Gerontopsychiatrie ausbauen und das Angebot von Alterswohnungen erweitern.

Gerontopsychiatrie: In der Stadt Luzern besteht ein Mangel an stationären Plätzen in der Langzeitpflege für gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen. Viva Luzern wird voraussichtlich bis ins Jahr 2023 ein neues Konzept zur Betreuung und Pflege dieser Personengruppe erarbeiten.

Demenz: Der Kanton erwartet zwischen 2015 und 2035 eine Verdopplung der Menschen mit einer Demenzerkrankung. Zusätzlich zu den bestehenden Plätzen an allen Standorten von Viva Luzern wird in den kommenden Jahren geprüft, ob sich Viva Luzern Wesemlin mit einem Haus für die Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz spezialisiert.

Altersgerechtes Wohnen: Das Angebot an Wohnungen mit Basis- und Wahlleistungen wird ausgebaut. Dabei wohnen ältere Menschen in einem Mietverhältnis in altersgerecht gestalteten Wohnungen und können bei Bedarf Betreuungs- und Pflegeleistungen beziehen. Die Basis- und Wahlleistungen wie beispielsweise Reinigung werden durch das in der Nähe liegende Betagtenzentrum gewährleistet, ambulante Pflegeleistungen in Kooperation mit der Spitex Stadt Luzern. Viva Luzern bietet ähnliche Modelle bereits an fünf Standorten in der Stadt Luzern an, der neuste Standort wurde im Guggi im Jahr 2020 eröffnet. Das bestehende Konzept wird ausgebaut und in den nächsten Jahren um das Haus Bernarda, angrenzend an das Areal Viva Luzern Dreilinden, und das Haus Diamant auf dem Areal Viva Luzern Eichhof erweitert.