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«Wer weiss, was morgen ist?»

Svitlana Kucherenko flüchtete in die Schweiz. Früher in der Verwaltung in Saporischja tätig, absolvierte sie aktuell ein Praktikum bei Viva Luzern Wesemlin und Tribschen.

Es kam anders als erwartet: Nachdem Svitlana mit ihrem Mann und den beiden Kindern Alina und Boris im Dezember 2021 in ihre frisch sanierte Eigentumswohnung in Saporischja (Ukraine) einzog, harrte sie nur zwei Monate später in einem Zivilschutzkeller aus. Ihr Mann arbeitet als Berufsmilitär und riet ihr, zusammen mit den Kindern ausserhalb des Landes Schutz zu suchen. So verliess Svitlana mit ihrer Freundin Olga und deren Kindern die Heimat und reiste mit Zug und Bus Richtung Italien, in der Annahme, dass sie zwei bis drei Monate später wieder zurückkehren würden.

Es kam anders. Inzwischen lebt sie seit gut einem Jahr in Luzern und bringt das Praktikum in der Pflege, Familie und ihr soziales Engagement im Verein LUkraina.ch eindrücklich unter einen Hut – ein Gespräch über Integration, Heimat und den bereichernden Alltag mit den Bewohnenden.

Frau Kucherenko, wie erlebten Sie die Ankunft in der Schweiz?
Nach unserer Ankunft in der Schweiz war es erst mal ein grosser Stress. Wir zogen an die Libellenstrasse in Luzern, lernten Deutsch, machten uns vertraut mit der Kultur und den Menschen. Während die Kinder die Integrationsklasse für ukrainische Kinder besuchten, half ich mit, den Verein LUkraina.ch zu gründen. Der Verein bietet Deutschkurse sowie humanitäre und psychologische Hilfe für Schutzsuchende an und veranstaltet musische Kurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Wie kamen Sie zum Praktikum im Viva Luzern Wesemlin?
Ich fühlte bald, dass ich noch etwas anderes tun und arbeiten möchte. Mein Studium an der Nationalen Universität in Saporischja mit Spezialisierung in der ukrainischen Philologie hat mir zwar geholfen, rasch Deutsch zu lernen, ist aber auf dem Arbeitsmarkt nicht gefragt.

Eine Bekannte erzählte mir vom Programm der Caritas Luzern, in dem Praktikumsplätze vermittelt werden. Nachdem ich mit der Caritas Luzern Kontakt aufgenommen hatte, erhielt ich während zweier Schnuppertage einen Einblick in den Alltag von Viva Luzern Wesemlin im Haus Morgenstern. Selim Krasniqi, Leiter Betreuung und Pflege, fragte mich, ob ich Interesse an einem Praktikum hätte. Ich sagte sofort zu und startete im Mai das sechsmonatige Praktikum. Hier im Wesemlin fühle ich mich wohl und schätze den Tagesrhythmus. Die Pflege und der Kontakt zu den Bewohnenden passen besser zu mir als eine Tätigkeit in der Reinigung oder Gastronomie – ich mag Menschen lieber als Geschirr.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag in der Pflege aus?
Die Arbeit ist sehr vielseitig. Ich betreue die Bewohnenden im Haus Morgenstern 2 und unterstütze sie in ihrem Alltag. Die Gespräche mit ihnen über ihre unterschiedlichen Leben sind sehr bereichernd und helfen auch, meine Deutschkenntnisse zu vertiefen. Nachdem sie mich zu Beginn auf Schweizerdeutsch ansprachen, unterhalten wir uns inzwischen auf Hochdeutsch. Eine Bewohnerin beobachtet meine sprachlichen Fortschritte. Als ich letzthin ihre Brille putzte, fragte sie mich, was ich soeben gemacht hätte. Ich erklärte, dass ich ihre Brille geputzt hätte, was sie mit einem zufriedenen «sehr gut!» quittierte.

Was sind Ihre Zukunftspläne?
Ich wünsche mir, dass der Krieg bald endet und sich unsere Familie in der Ukraine wieder vereint. Hätte mir jemand vor zwei Jahren gesagt, dass ich so lange weit weg von zu Hause leben würde, hätte ich das nicht geglaubt. Wer weiss, was morgen ist? Bis dahin werde ich weiterhin Deutsch lernen und mir Gedanken machen, ob ich nach dem Praktikum in der Pflege bleibe. Wichtig ist, dass wir in Sicherheit sind und es den Kindern gut geht. Problemen entgegne ich ganz nach Scarlett O’Hara’s Lebensmaxime: «Darüber will ich morgen nachdenken.»

Neue Wege gehen

Caritas Luzern unterstützt mit dem Projekt «Starthilfe Arbeitsmarkt» seit Oktober 2022 ukrainische Geflüchtete bei der Stellensuche.

Der Schutzstatus S, der den geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern verliehen wurde, ist rückkehrorientiert. Bund und Kantone sahen deshalb von einer Integration in den Arbeitsmarkt ab, obwohl die Geflüchteten per sofort arbeiten konnten. Caritas Luzern hat diese Lücke geschlossen und sie bei der Stellensuche unterstützt.

Selim Krasniqi von Viva Luzern ist überzeugt, dass aufgrund des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen neue Wege gefunden werden müssen: «Die Praktika von Caritas Luzern sind eine gute Möglichkeit, wir haben tolle Erfahrungen gemacht.»